Im Jahr 2010 fand ein Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes statt, bei dem 12 Monate lang in verschiedenen deutschen Firmen die sogenannte „anonyme“ Bewerbung getestet werden sollte. Welche Vor- und Nachteile diese hat, klärt der folgende Text. – Isabel Frankenberg
An dem Pilotprojekt aus dem Jahr 2010 nahmen verschiedene deutsche Firmen, wie die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post teil, um das anonyme Bewerbungsverfahren zu testen. Ziel der Antidiskriminierungsstelle des Bundes war es, die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu verringern und eine Chancengleichheit unter den Bewerbern herzustellen. Laut einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit hatten Bewerber mit einem türkisch stämmigen Nachnamen damals eine 14-prozentig geringere Chance auf die Einladung zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch. Daraus ließ sich wiederum schließen, dass Vorurteile sowie das Schubladen denken auch vor der Arbeitswelt keinen Halt machten, so dass Bewerber aufgrund persönlicher Daten, wie ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder einfach ihres Äußeren, beurteilt wurden. Um Abhilfe zu schaffen, wurde also die anonyme Bewerbung in Deutschland eingeführt.
Nachdem das Pilotprojekt beendet war, konnten laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes 246 Stellen mit Arbeitnehmern, Studenten und Auszubildenden belegt werden. Insgesamt gingen rund 8.500 anonyme Bewerbungen ein. Dabei zeichnet sich die anonyme Bewerbung vor allem dadurch aus, dass sämtliche persönliche Daten wegfallen und stattdessen lediglich die Qualifikationen des Bewerbers offengelegt werden. Anders als bei einer herkömmlichen Bewerbung entfallen folgende Daten:
- Name und Adresse
- Geschlecht und Bewerbungsfoto
- Geburtsdatum und Alter
- Familienstand und Herkunft
Die Einladung zu einem persönlichen Gespräch erfolgt also nicht aufgrund der Informationen über die Herkunft oder die Religion sondern vielmehr aufgrund von Qualifikationen. Diese müssen dem Arbeitgeber in der anonymen Bewerbung offengelegt werden. Hierzu zählen Schul- und Berufsabschlüsse sowie die Erfahrungen in anderen Unternehmen.
Die Vor- und Nachteile einer anonymen Bewerbung
Die Vorteile einer anonymen Bewerbung liegen also klar auf der Hand. Während sich der Arbeitgeber bei einer herkömmlichen Bewerbung von persönlichen Daten oder sogar von einem Bewerbungsfoto beeinflussen lassen kann, erfolgt die Einladung zum Bewerbungsgespräch bei der anonymen Bewerbung allein auf Grundlage der Stärken und Qualifikationen des Bewerbers. Hierbei wird also lediglich nach Können beurteilt.
Jedoch bietet die anonyme Bewerbung ebenfalls Nachteile und kann bei einigen Personen die Chance auf einen Job sogar mindern. Dies gilt vor allem für junge Arbeitnehmer und Berufseinsteiger. Diese besitzen meist wenig Erfahrung in Unternehmen, so dass ihnen die nötigen Qualifikationen fehlen. In diesem Fall könnten einige persönliche Informationen hilfreich sein, um den Arbeitgeber von seinem Können zu überzeugen. Eine Anstellung allein auf Grundlage der Qualifikationen ist bei Berufseinsteigern hingegen eher unwahrscheinlich. Daher sollte sich jeder Bewerber vorab genau darüber informieren, welches Bewerbungsverfahren das geeignetste für ihn ist.
Die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V.
Die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V. wurde im Januar 2017 vom Rechtsjournalisten Marcel Weber in Berlin gegründet. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Transparenz im Bereich Sozialrecht zu schaffen, um interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick in die wichtigsten Themen zu bieten.
Ziel und Zweck der Interessengemeinschaft e.V. ist die Beobachtung sozialrechtlicher Entwicklungen, Analyse und Kommentierung aktueller Rechtsprechungen sowie der Bereitstellung von Informationen und Hilfestellungen für Leistungsempfänger und Interessierte. Dabei verfolgt der Verein keinerlei eigenwirtschaftliche Zwecke. Die Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. In ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Vereins erhalten diese keine Zuwendungen oder Gewinnanteile aus Mitteln des Vereins.
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